Magnesium
ÜbersichtFunktion am Herzen
Pathophysiologie und Pharmakologie
Übersicht
Magnesiumionen (kurz: Magnesium) stabilisieren die Membranen von Zellen, sowohl elektrisch als auch mechanisch. Das gilt nicht nur für das Herz, sondern für alle Zellen.
Funktion am Herzen
In allen Zellen interagiert Magnesium mit Membran- und membrannahen Proteinen, insbesondere Ionenkanälen und Enzymen. Magnesiumionen hemmen bspw. Calcium-, Kalium- und NMDA-Kanäle und sind essentiell für die Funktion von Kinasen, Phosphatasen, Phosphodiesterasen, Na+/K+-ATPase, Ca2+-ATPase und viele andere mehr, da sie als Kofaktoren für diese und hunderte anderer Enzyme dienen.
Über die Wirkung auf Kaliumionenkanäle und die Na+/K+-ATPase hat der Magnesiumserumspiegel Einfluss auf den Kaliumhaushalt.
Arbeitsmyokard, Erregungsbildungs- und -leitungssystem
Magnesiumionen stabilisieren die Membranen von Herzmuskelzellen. Ein Mangel oder Überschuss an Magnesiumionen führt zur Dysbalance des elektrischen und biochemischen Gleichgewichts der Zellen.
Bei Hypomagnesämie steigt die Erregbarkeit, da die stabilisierende Wirkung der Magnesiumionen wegfällt. Es kommt zu Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern. Eine spezielle Form solcher Tachyarrhythmien ist die Torsade-de-pointes-Tachykardie (= Spitzenumkehrtachykardie). Sie ist aber nicht pathognomonisch für eine Hypomagnesämie.
Exkurs I (Tachykardie):
Durch eine Hypomagnesämie steigt das Risiko einer solchen Form der Tachykardie. Einige Menschen besitzen jedoch eine genetisch bedingte Veranlagung, wodurch das Risiko für eine Spitzenumkehrtachykardie grundsätzlich erhöht ist - Patienten mit Long-QT-Syndrom. Hat ein Patient ein Long-QT-Syndrom und liegt zusätzlich eine Hypomagnesämie vor, ist das Risiko für eine solche Tachykardie deutlich erhöht. Viele Medikamente können das QT-Intervall ebenfalls erhöhen, eine diesbezügliche Angabe in den Fachinformationen ist verpflichtend.
Exkurs II (klinische Diagnostik):
Bei Patienten, die einen tachykarden Anfall erlitten haben, sollte die Serummagnesiumkonzentration bestimmt werden. Jedoch gehört die Messung des Magnesiumspiegels in vielen Kliniken nicht zu den Standardparametern. Auch sollten Kalium und Calcium ermittelt werden, da auch Veränderungen dieser beiden Parameter Torsade-de-pointes-Tachykardien auslösen können; sie sind jedoch Standardparameter und werden daher ohnehin bei einer notfallmäßigen Laborbestimmung mit erfasst.
Veränderungen des Magnesiumhaushaltes gehen häufig mit Veränderungen der Kalium- und / oder Kalziumkonzentration einher (und umgekehrt). In der gesunden Niere führt eine Hypercalcämie bzw. eine Hypermagnesämie zur Hemmung der tubulären Kalzium- und Magnesiumresorption (Autoregulation durch negative Rückkopplung).
Hypomagnesiämie und Hypokalziämie wirken auf die Nebenschilddrüsen und führen zur Freisetzung von Parathormon.
Exkurs III ("Magnesium-Kalzium-Antagonismus"):
Der im Schrifttum häufig genannte "Magnesium-Kalzium-Antagonismus" existiert nur punktuell. Er ist daher für die Argumentation systemischer Wirkungen von untergeordneter Bedeutung.
Im Falle einer Hypermagnesämie sinkt die Erregbarkeit der Zellen des Arbeitsmyokards. Die Folge sind SA- und AV-Blöcke sowie Bradyarrhythmien, letztere können bis zur Asystolie führen.
Herzzyklus, EKG
Kein Teil des Herzzyklus ist im Speziellen von Magnesiumionen abhängig. Da Magnesiumionen sehr viele zellulären Prozesse zu jeder Zeit (in nahezu allen Geweben) auf die eine oder andere Weise beeinflussen, wirken sich globale Störungen auf die Funktion auch global aus. Wie im Abschnitt "Arbeitsmyokard" (siehe oben) beschrieben, beziehen sich diese Auswirkungen vor allem auf die Erregbarkeit der Zellen und führen damit zu den dort beschriebenen Pathologien.
Prinzipiell ist es auch nicht möglich, dass Veränderungen des Magnesiumhaushaltes sich direkt im EKG zeigen. Das EKG ist ein AC-Signal (Wechselspannung). Langsame Veränderungen (DC-Signale) werden nicht erfasst.
Veränderungen der extrazellulären Magnesiumkonzentration bewirken aber eben vor allem langsame Veränderungen der Abläufe in der Zelle, beispielsweise durch die Wirkung von Magnesium als Ko-Faktor bei enzymatischen Abläufen.
Exkurs:
Experimentell lassen sich indessen die Veränderungen der Ionenströme bspw. der Na+/K+-ATPase erfassen.
Pathophysiologie und Pharmakologie
Ein Magnesiumüberschuss hat in der Regel zwei Ursachen: Die iatrogene Hypermagnesämie bei übermäßiger Magnesiumzufuhr sowie die herabgesetzte renale Magnesiumausscheidung bei Niereninsuffizienz oder bei Mangel an Aldosteron.
Der Mangel an Magnesiumionen hat eine Vielzahl an Ursachen: diätische Minderzufuhr, renaler Verlust bei Aldosteronüberschuss (Hyperaldosteronismus), oder eine gestörte renal-tubuläre Resorption, letztere bspw. in Folge der Verwendung von Schleifendiuretika, bei Bartter- oder bei De-Toni-Debré-Fanconi-Syndrom.
Zudem findet sich bei Phosphatmangel eine verminderte renale Magnesiumresorption sowie bei ketoazidotischem Diabetes mellitus.
Des Weiteren können beim Stillen über die Brustdrüse mit der Muttermilch größere Mengen Magnesium ausgeschieden werden. In Folge von Verbrennungen kann Magnesium über die Haut verlorengehen.
Im Rahmen einer Pankreatitis werden aus dem lädierten Pankreasgewebe Lipasen freigesetzt, die umliegendes Fettgewebe abbauen und dessen Fettsäuren Magnesiumionen binden, wodurch die Konzentration freien [sic!] Magnesiums sinkt.
Ein Magnesiummangel kann mit Magnesiumsubstitution behoben werden. Im Vordergrund steht jedoch die Behandlung der Grunderkrankung, die zu diesem Mangel geführt hat.
Eine Hypermagnesämie wird mit Calciumgluconat und ggf. Furosemid behandelt, gelegentlich kann eine Dialyse notwendig sein.